Abriss des zweiten Wohnturms am Riebeckplatz in Halle

Bilder und Text: Martin Schramme | letzte Aktualisierung: 24.01.2012

Hochhausabriss am Riebeckplatz 2012 | Foto: Martin Schramme

Im Zuge des Zweiten Weltkrieges wurden einige Gebäude am Rande des alten Riebeckplatzes zerstört. Als der Straßenverkehr in den 1960er Jahren auch in der DDR spürbar zunahm und der Bau einer Neustadt westlich der Saale beschlossen war, musste eine neue moderne Verkehrslösung her. Der inzwischen in Ernst-Thälmann-Platz umbenannte Platz wurde im Zuge entsprechender Planungen vollkommen neu konzipiert. Ein für die Fußgänger untertunnelter und von Straßenbrücken überbauter Kreisverkehr entstand. Als markante Bauwerke der neuen Stadtmitte und als symbolisches Tor zur sozialistischen Stadt Halle-West/Halle-Neustadt wurden auch zwei 65 Meter hohe Hochhäuser errichtet. Die Wohnungen dort waren sehr begehrt und für manche Menschen nur über Ringtausch zu bekommen. Am höchsten Punkt der Innenstadt unweit des Bahnhofs gelegen genossen die Bewohner vor allem der oberen Etagen einen Blick bis weit über die Stadt nach Leipzig und ins Mansfelder Land.
Nach dem Ende der DDR gingen viele Arbeitsplätze vor allem in der für Halle so bedeutenden Chemischen Industrie und im Maschinenbau verloren. Immer mehr Wohnungen standen leer. Hatte die DDR die Altbauten aus Kosten- und Materialgründen weitgehend vernachlässigt, begann die Bundesrepublik nach 1990 damit im Zuge der Rückübertragung vieler historischer Häuser an deren Hauseigentümer deren Sanierung mit Steuervergünstigungen, Abschreibungen und Fördermitteln zu begünstigen. Hingegen wurden die Immobilien der kommunalen Wohnungsgesellschaften mit Altschulden belastet, also in D-Mark umgewerteten Verpflichtungen, die in der sozialistischen Planwirtschaft so nicht bestanden. Im weiteren Verlauf der Geschichte war es nun plötzlich attraktiver, Altbauten zu sanieren und Neubauten abzureißen. Weil viele Hallenser berufsbedingt ihre Stadt verließen, standen immer mehr Wohnungen leer und weil die Neubauten über Jahre massiv vernachlässigt wurden, der Zuschnitt der Wohnungen dort bald nicht mehr den Wünschen und Möglichkeiten Hochhausabriss am Riebeckplatz am 1. Februar 2011 | Foto: Martin Schramme der neuen Zeit entsprach und sich auch durch die Sozial- und Wohnungspolitik der Stadt Halle immer mehr Problemhaushalte in den "Plattenbauten" konzentrierten, war der Leerstand in den Neubauten besonders drastisch. Als die Leerstandsproblematik auch die politische Ebene erreichte, wurde der massive Abriss mit Steuergeldern gefördert. Das bot den Vermietern die Chance, vor allem beim Abriss von Hochhäusern den Leerstand auf einen Schlag spürbar zu reduzieren und Altschulden loszuwerden. In Halle-Neustadt kaufte der Hamburger Unternehmer Ulrich Marseille etliche Hochhäuser, ließ sie sanieren und verkaufte sie später wieder. Im Ergebnis waren die Häuser gut vermietet und ihr Abriss abgewendet. Besonders radikal bei der Beseitigung der Hochhäuser ist inzwischen die kommunale HWG vorgegangen. Von den sechs Wohnhochhäusern in der Innenstadt (drei am Steg, zwei am Riebeckplatz, eins Schülershof) hat sie bis zum 31.12.2011 vier weggerissen und eins um mehrere Etagen gekürzt (Schülershof). Ende 2011 hat sie nun das letzte der sechs zum Abriss vorbereitet. Seit 2004 ist der Abriss beschlossen. Wegen massiver Bürgerproteste war er mehrfach verschoben wurden. Ein Kaufangebot unter anderem durch Marseille lehnte die HWG ab. In der dritten Kalenderwoche 2012 wurde ein 77 Meter hoher Spezialkran genau dort aufgestellt, wo zuvor ein Verbinder zwischen dem Hochhaus und dem benachbarten Hotel "Maritim" (ehemals Interhotel Stadt Halle) abgerissen wurde. Der Kran bringt drei Mini-Bagger auf das Dach, die den massiven Betonkern schrittweise abtragen sollen. Bis zum Herbst 2012 soll das Haus komplett "rückgebaut" sein, sagte die HWG am 24.01.2012. Die Brache soll wie schon bei dem anderen Riebeckturm zu einer Grünfläche werden. Im Sommer 2010 hatte die HWG mit dem Abriss des ersten Turmes begonnen, der Anfang 2011 abgeschlossen war.