Bürger waren abgeschnitten

Ergebnisse eine Studie zur Bürgerbeteiligung beim Hochwasser 2013 vorgestellt

Von MARTIN SCHRAMME

Politiker geben gern den Deichgraf, Wasserwehren sind jedoch viel wirkungsvoller. Vorsorge ist wichtiger als Katastrophenmanagement. Die Hilfe nach dem Hochwasser ist zu bürokratisch. Verwaltungen müssen transparenter und besser erreichbar sein. Das sind erste Ergebnisse einer Studie zur Bürgerbeteiligung bei Naturkatastrophen, speziell beim Hochwasser 2013.

Götz Harald Frommholz von Dpart Berlin und Timothy Atkins von Regionalimpuls aus Halle (Firma existiert seit Sommer 2015 nicht mehr) arbeiteten an der Studie. In der ersten Stufe ihres Drei-Stufen-Projektes haben sie Verwaltungsleute, Politiker und engagierte Bürger zur Hochwasserthematik befragt.

Alle bisher befragten Studienteilnehmer hätten ihre Berichte mit dem Hochwasser 2002 begonnen. Der Hintergrund: Bewohner an der Elbe und ihren sächsischen Nebenflüssen waren damals Anfang August von einer gewaltigen Flut überrascht worden. Sie hatten dem Deutschen Wetterdienst vertraut und die Warnungen von Wettermann Jörg Kachelmann ignoriert.

Bis 2002 wurde Hochwasserschutz nicht ernsthaft betrachtet, so Frommholz. Das Elbe-Hoch-wasser im Sommer 2002 erhöhte die Aufmerksamkeit. Es wurde aber nicht zuletzt durch die Medienberichterstattung als „Jahr- hunderthochwasser“ wahrgenommen und daher als Ereignis angesehen, das sich so schnell nicht wiederholen wird.

2013 war für viele ein Schock. Den Kommunen fehlte der Blick auf die Nachbarschaft. Sachsen-Anhalt war 2013 gut aufgestellt, aber viel Wasser kam aus Sachsen. Jedoch seien viele Pläne von 2002 bis 2013 nicht umgesetzt worden, denn je weiter man in der Hierarchie nach oben komme (wo wichtige Entscheidungsträger sitzen), umso weiter trete die Sachebene hinter parteipolitische Interessen zurück. Die Koordination der freiwilligen Helfer sei mangelhaft gewesen. „Während einige Kommunen sehr viele Helfer hatten, mussten andere ohne Freiwillige auskommen.“

„Die Verwaltungen müssen viel stärker kommunizieren. Die Bürger müssen wissen, woran sie sind“, so Frommholz. Man müsse über das sprechen, was wirklich hilft. Deiche seien populär, aber Rücklaufbecken und Wasserwehren viel wirkungsvoller.

„Bürger waren von wichtigen Informationen abgeschnitten“, so Atkins. Die Verwaltungen verwiesen auf Hotlines, aber die waren schwer zu erreichen und gaben oft nur Pegelstände durch, aber „aus versicherungstechnischen Gründen“ keine Prognosen. Davon hätten zum Beispiel Bewohner des Sophienhafens in Halle berichtet. Viele Bürger ärgere, wie lange nach dem Hochwasser sie sich an bürokratischen Hürden vorbeiquälen und auf finanzielle Hilfe warten müssen, während sich die Verwaltungen mit Millionenbeträgen sanierten. Viele alte Leute seien betroffen.

Die Verwaltungen sollten stärker mit den Bürgern arbeiten und sie nicht als störendes Element verstehen. So sei die Wasserwehr in Bitterfeld sehr gut organisiert. Sie sicherte Deiche mit einfachen Mitteln wie Europapaletten und war nah dran am Krisenstab.

Hochwasser sei zu einem sensiblen Thema geworden in der Bevölkerung und Prävention ein großer Wunsch. Bürgerinitiativen seien jetzt intensiver an dem Thema dran. Aber gerade in Halle fänden sie und die Stadtverwaltung keine gemeinsame Sprache. Und bei Nachfragen auf Landesebene bekämen sie zu hören: Sie kennen sich gut aus und haben in der Sache recht, doch das ist politisch nicht durchsetzbar.