Hallisches Adressbuch 1946/1947

Verlag: Mitteldeutsche Verlags-Gesellschaft mbH Halle, Gr. Ulrichstr. 16
Herausgeber: Magistrat der Stadt Halle / Nachrichtenamt
Erscheinungstermin: Dezember 1946

Einleitungstext
Als am 16. April 1945 der Rote Turm nach dem Einschlag einer Granate in Flammen aufging, waren fast auf den Tag genau 132 Jahre verflossen, seitdem feindliche Geschütze auf die Stadt gerichtet waren und sie unter Beschuß genommen hatten. Die im Salinegebäude in der Mansfelder Straße und die im Hause Alter Markt 26 eingemauerten Kanonenkugeln erinnern an jenen bösen 28. April 1813, von dem schon damals viele Hallenser hofften, daß er sich in der Geschichte der Stadt niemals wiederholen möchte. Diese Hoffnung ist nicht in Erfüllung gegangen.
Die lebenden Generationen haben aus dem Hitlerkrieg ein Erbe von drückender Schwere und bitterem Inhalt übernehmen müssen. In jenen entscheidungsvollen Tagen des Frühjahrs 1945 hat mancher geglaubt, daß die Zeugen der Verschandelung eines einst mustergültigen Stadtbildes in absehbarer Zeit wohl nicht beseitigt werden könnten. Ist die Stadt Halle auch nicht in dem Umfange zerstört worden wie die Mehrzahl der großen deutschen Städte, so wurden doch das Stadtbild und mit ihm das ganze Gefüge der Verkehrsnetze, Leitungsnetze und des Entwässerungsnetzes stark in Mitleidenschaft gezogen. So stark, daß die Frage schon berechtigt war, wie und wann dieser schwer angeschlagene Organismus wohl einmal wieder voll leistungsfähig sein würde.
Sämtliche über die Saale führenden Brücken waren gesprengt. Einige Hauptverkehrsstraßen der Stadt waren durch Schuttmassen völlig verstopft oder durch beschädigte Entwässerungsleitungen ungangbar gemacht. Die Mehrzahl der freien Plätze war durch Löschteiche, Schutthalden, Bunker und Splittergräben bis zur Unkenntlichkeit entstellt.
Kerngebiete der Zerstörung waren:
1. ein mehrere hundert Meter breiter Streifen, der sich von den Franckeschen Stiftungen über den Stresemannplatz, die Friedrich-List-Straße, den Thälmannplatz längs der Magdeburger Straße und westlich der Eisenbahngleise bis in die Höhe der Meckelstraße zog;
2. mehrere Fabrikbetriebe an der Merseburger Straße;
3. die Gegend Neugasse, Brunos Warte, unterer Moritzzwinger, Glauchaer Platz, Paradiesgasse;
4. östlicher Rand des Marktplatzes und Albert-Dehne-Straße, das alte Rathaus, das historische Waagegebäude, und der Ratshof;
5. Kleine Steinstraße, untere Große Steinstraße einschließlich der Hauptpost, Brüderstraße mit vereinzelten Beschädigungen in Richtung Dom;
6. das Stadtheater und seine Umgebung;
7. die Umgebung der Halleschen Röhrenwerke, der Stadtteil Gesundbrunnen und die Pestalozzi-Hilfsschule;
8. die Umgebung der Siebel-Werke;
9. das Gebiet östlich der Eisenbahn beiderseits der Freiimfelder Straße.
Insgesamt wurden 3000 Wohnungen zerstört, 3600 schwer- und 6400 mittel- oder leichtbeschädigt - ferner fielen rund 400 Gewerbebetriebe aus. Am schmerzlichsten traf die Hallenser außer den persönlichen Verlusten des einzelnen die Zerstörung des stolzen Wahrzeichens ihrer Stadt: das Roten Turmes. Die Träger des Naziregimes hatten es zum Teil schon vor der Kapitulation vorgezogen zu verschwinden. Der Stadt drohten Hungersnot, Seuchen und Arbeitslosigkeit. Bewährte Antifaschisten sprangen in diesem Augenblick in die Bresche und brachten das Leben wieder in Gang.
Man beseitigte sofort die schlimmsten Verkehrssperren, so daß schon nach 7 Wochen die wichtigsten Straßenbahnlinien wieder befahren werden konnten. Die Wasser- und Elektrizitätsversorgung wurde fast ohne Unterbrechung durchgeführt. Die Gasversorgung war bald wieder in Betrieb, wenn auch zunächst in beschränktem Umfange. Der Zoo konnte schon 14 Tage nach der Kapitulation seine Pforten öffnen. Und nicht viel später tranken viele Hallenser wieder unter den blühenden Kastanien des Bades Wittekind ihren Kaffee.
Größere und schwerere Aufgaben waren aber noch zu lösen. Diese Aufgaben konnten nur bei einer völligen Abkehr von den früheren Formen des gemeindlichen, politischen und wirtschaftlichen Lebens gemeistert werden. Sichtbare Zeichen des neuen Lebenswillens und einer entschlossenen Umkehr waren die Gründung und Konsolidierung der antifaschistischen Parteien und des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes, die Zusammenfassung der kulturell interessierten antifaschistischen Kräfte im Kulturbund, die Schaffung der Antifaschistischen Bezirksausschüsse und der Organisation der Straßenbeauftragten, die Bildung der Antifaschistischen Frauenausschüsse und der Zusammenschluß der Freien Deutschen Jugend.
Eines der wichtigsten Ereignisse in diesem ersten Nachkriegsjahr war die Erhebung Halles zur Provinzhauptstadt. Halle war bis zum Jahre 1714 schon fast zwei Jahrhunderte lang Sitz der Landesverwaltungsbehörden gewesen. Die Anknüpfung an diese historische Tradition und die Bedeutung der zentralen Stellung Halles in der mitteldeutschen Wirtschaft erleichterten ihre Bestimmung zum Verwaltungsmittelpunkt. Die Stadt Halle gewann damit vor den anderen Städten der Provinz einen Vorrang, der sie doppelt verpflichtet, mit der größten Energie an die Beseitigung der materiellen und der geistigen Kriegsschäden zu gehen.
Wenn man das Bild der Stadt, das sich noch im Spätsommer 1945 bot, mit dem heutigen vergleicht, so wird ein gerecht denkender Betrachter nur das Urteil fällen können, daß hier eine außerordentliche Leistung vollbracht worden ist. Die Arbeit der antifaschistischen Parteien am Neuaufbau der Stadt wurde durch eine starke Einmütigkeit und eine zielstrebige Kontinuität getragen. Die von der privaten Initiative der Bürger und von den Behördenstellen geleistete Neuaufbauarbeit wurde durch die Zusammenfassung im "Volksaufgebot 1946" wirksam ergänzt. Als sichtbares Zeichen des Arbeitererfolges seien nur hervorgehoben: Die wiederhergestellten Saalebrücken, die von den Bombentrichtern, von Schutt- und Aschebergen befreiten Straßen, der gesicherte Straßenverkehr, die geregelte Straßenbeleuchtung, die zahlreichen ausgebesserten Privathäuser und öffentlichen Gebäude, die wieder arbeitenden Betriebe und Versorgungseinrichtungen, die blühenden und grünenden Anlagen und nicht zuletzt das reiche, vielseitige kulturelle Leben.
Ein neuer Abschnitt in der Geschichte der Stadt Halle begann am 8. September 1946, dem Tag der ersten Gemeindewahlen, die der gesamten hallischen Bevölkerung wieder das volle demokratische Mitbestimmungsrecht in der Gestaltung der Gemeindeangelegenheiten einräumte. Am 5. Oktober 1946 wurde der bisherige Bürgermeister Pretsch durch den Präsidenten der Provinz Sachsen, Professor Dr. Hübener, als Oberbürgermeister der Stadt Halle in sein Amt eingeführt. Zwei Tage später traten die Stadtverordneten zur ersten Sitzung der Gemeindevertretung im erneuerten Stadthaus zusammen. Ihr Amt wird wieder Arbeit am Gemeinwohl bedeuten. In ihren Händen liegt die Gestaltung des Entwicklungsweges, den Halle als Zentrum Mitteldeutschlands und als Provinzhauptstadt im Rahmen des Aufbaues unseres neuen demokratischen Deutschlands in nächster Zukunft eingeschlagen wird.

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AEG - Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft, Büro Halle (Saale), Waisenhausring 9
AHENA GmbH - Arbeitsgemeinschaft von Herstellern tiefgekühlter Nahrungsmittel, Karl-Liebknecht-Str. 28
Albatros, moderne Photographie, Hansering 9/10
Alpers & Bohne Glasgroßhandlung, Glasschleiferei, Spiegelfabrik, Mittelstr. 2
Annoncen-Koch, Anzeigenannahme f. sämtliche Zeitungen und Zeitschriften, Jacobstr. 3
Erwin Apel Kolonialwaren, Kleine Ulrichstr. 25
Arnold & Troitzsch, Spezialhaus f. Inneneinrichtungen, Geschenk- und Bedarfsartikel, Gr. Ulrichstr. 1
G. Assmann gegr. 1848: a) Haus der Herrenmode Gr. Ulrichstr. 49/50, b) Hallesche Kleiderwerke Gr. Ulrichstr. 57
Auto-Licht-Zünd-Dienst Naumann & Co., Rudolf-Breitscheid-Str. 71/72
Oscar Ballin jun. Drogen- und Photohaus, Leipziger Str. 63
Oscar Ballin sen. Parfümerie und Toilettenwaren, Leipziger Str. 9
Ballin & Rabe Photo- und Kino-Spezialhaus, Hansering 14
Bank der Provinz Sachsen, Direktorium: Marktplatz 19, Geschäftsstelle: Rudolf-Breitscheid-Str. 89
Franz Becker Chrom-Werkstätten (Chrom-Becker), Gr. Märkerstr. 6/7
Ferdinand Beykirch, Corset Royal GmbH, Gr. Steinstr. 34
Bilder-Germo, Alfred Germo, Hansering 1, Werkstatt: Taubenstr. 25
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BMW-Rensch, Inhaber: Werner Rensch, Hansering 4
Kurt Bornschein Dachdeckermeister, seit 1886, Gr. Märkerstr. 9
Braun & Wiegand Kolonialwarengroßhandlung, Inhaber: Ost & Gleis, Rudolf-Breitscheid-Str. 81
Ottomar Brehmer Nachf. Karl Schulze Likörfabrik und Weingroßhandlung, Gr. Märkerstr. 11
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Caesar & Loretz KG, gegr. 1886, Spezialbetrieb für vegetabilische Drogen, Merseburger Str. 113
Central-Ankaufstelle für landwirtschaftliche Maschinen und Geräte Halle (CAH), gegr. 1889, Merseburger Str. 74
Pianohaus Döll, Gr. Ulrichstr. 33/34
Paul Danneberg Möbel- und Einrichtungshaus, gegr. 1888, Geiststr. 69/70
Putzsalon Jenny Aderhold, Umarbeitung und Anfertigung von Damenhüten, Karl-Liebknecht-Str. 27

Gastronomie
"Altdeutscher Hof", Inhaber: Fröhlich und Haase, die vornehme Gaststätte, Reilstr. 132
Ausflugsgaststätte "Inselschlößchen" auf der Rabeninsel, Konzert- und Tanzlokal
Gaststätte "Mars la Tour", Inhaber: Paul Wischnewsky, Gr. Ulrichstr. 10
"Jagdschloß", Inhaber: Hermann Wittig und Frau, Moritzzwinger 4
"Kaffee Rheingold", Rannischer Platz
Kaffeehaus "Zorn" erstklassige Konditorei, Leipziger Str. 93
Restaurant "Goldene Spitze", ältestes Skatlokal am Platze, Inhaber: Friedrich Schmidt, Spitze 11-12
"Riebeck-Bräu", Inhaber: Arthur Koepp,Thälmannplatz 3a
Schänke "Alt-Halle", Leipziger Str. 63
Weinhaus Traeger, Inhaber: Franz Traeger, Haus ersten Ranges, Rannische Str. 23
"Zum Kühlen Brunnen", Alt-Cröllwitzer Gaststätte, Talstr. 26b

Kinos
Capitol - Sovexportfilm, Lauchstädter Str. 1a
Ritterhaus-Lichtspiele - Sovexportfilm, Leipziger Str. 88
C.T.-Lichtspiele (Gotthold Künzel und Max Künzel jun.), Gr. Ulrichstr. 51
L.K.-Theater Schauburg, Gr. Steinstr. 27/28
Ringtheater-Lichtspiele, Waisenhausring 8
Orpheum-Lichtspiele (Inhaber: Erich Zimmermann), Steinweg 12
Tonbild-Bühne TO-BÜ Ammendorf, Hallesche Str. 172

Agenturen, Zeitungen, Verlage
ADN - Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst, Vertretung f.d. Prov. Sachsen, Herwegstr. 12
Brockmöller & Co. Buchdruckerei und Verlag, Franckestr. 11
Der freie Bauer, Das illustrierte Blatt, Deutscher Bauern-Verlag, Provinz Sachsen, Waisenhausring 1b
Freiheit, die große Tageszeitung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands
Frischer Wind, Die politisch-satirische Zeitung, Verlag "Buch und Bild" G.m.b.H., Zweigstelle Provinz Sachsen, Waisenhausring 1b
Tägliche Rundschau, Zeitung für die deutsche Bevökerung, Vertretung Provinz Sachsen, Martinsberg 4